Die häufigsten Fehler in wissenschaftlichen Texten
Ein kleiner Antibarbarus (to be continued ...)
Auch geübten Verfasserinnen und Verfassern unterlaufen grammatische und stilistische Fehler – errare humanum est.
Beim Lektorat wissenschaftlicher Arbeiten zeigt sich allerdings, dass manche Fehler überdurchschnittlich häufig und oft auch unabhängig von der generellen Schreibkompetenz der Verfasser/-innen vorkommen.
Der folgende kleine Antibarbarus liefert über diese „beliebtesten“ Fehler einen Überblick.
Inhalt
- „Mehr“ oder „mehrere“?
- Präpositionen mit dem Genitiv
- Doppeltes Genitivattribut
- „Dazu gehören“, „dazu zählen“ usw.
- Redundantes Demonstrativpronomen
- Wiederholung des unbestimmten Artikels
- „Wörter“ oder „Worte“?
- Überflüssiges „dieser“ statt Präpositionaladverb
- Metasprache
- Redundante Modalverben
- Überblick + Genitiv
- Bezugsfehler bei Komposita
- (Nicht) korrespondierende Partikeln
- Allein stehendes Demonstrativum im Genitiv
- „Durch“ statt „wegen“ usw.
- „Einhergehend“
- „Sofern“, „insofern“, „soweit“ und „insoweit“
- „Dieser“ statt „er“ usw.
- Position von Attributen
1. „Mehr“ oder „mehrere“?
⊗ Das Spiel kann mit zwei oder mehreren Spielern gespielt werden.
Das Wort „mehr“ ist der Komparativ (also eine Steigerungsform) zu „viel“. Daher wird es überwiegend im Zusammenhang mit Vergleichen verwendet:
Er reist mehr als ich.
Die Reise dauerte mehr als zwei Stunden.
Natürlich muss der Vergleich nicht immer ausgesprochen werden.
Willst du mehr Suppe [als du bisher hattest]?
Das Wort „mehrere“ ist dagegen ein Indefinitpronomen. Es bezeichnet eine unbestimmte Mehrzahl von Personen oder Dingen und hat somit nichts mit Vergleichen zu tun.
Mehrere Rentner nahmen an der Reise teil.
Die Reise dauerte mehrere Stunden.
Aus diesem Grund sind Formulierungen wie „zwei oder mehrere“ falsch – denn auch zwei sind „mehrere“.
Vielmehr ist in solchen Wendungen wieder ein Vergleich impliziert: „zwei oder mehr [als zwei]“. Darum sagt man:
⇒ Das Spiel kann mit zwei oder mehr Spielern gespielt werden.
Der Impuls, hier „mit zwei oder mehreren“ zu sagen, kommt wohl daher, dass wir gewohnt sind, flektierbare Wörter nach Präpositionen (hier: „mit“) zu beugen (z. B. „mit vielen anderen Spielern“). Diesem Impuls sollten wir im vorliegenden Fall widerstehen – denn „mehr“ ist ein Adverb und damit nicht veränderbar.
2. Präpositionen mit dem Genitiv
Es gibt eine Reihe von (besonders schriftsprachlich verwendeten) Präpositionen, die regelmäßig mit dem Genitiv stehen (anhand, aufgrund, dank, mittels, wegen, trotz, zugunsten usw.). Umgangssprachlich hört man sie eher selten (aufgrund, mittels), oder man findet sie dann mit dem Dativ statt dem Genitiv verbunden (wegen dem schlechten Wetter, trotz den vielen Spenden).
Unproblematisch sind alle Fälle, in denen der Genitiv durch starke Flexion oder Verwendung eines Artikels eindeutig sichtbar (oder hörbar) ist:
aufgrund einer zu geringen Teilnehmerzahl, mittels zahlreicher Stichproben, wegen anhaltender Beschwerden, zugunsten des genannten Personenkreises, trotz rückläufiger Quoten
Schwierig wird es in folgenden Fällen:
- Dem Substantiv geht ein Genitivattribut voraus
Zwar heißt es „während des fünften Klavierkonzertes“ (Genitiv) – wenn jedoch ein Genitivattribut vorausgeht, wählt man den Dativ, also nicht „während Beethovens fünften Klavierkonzertes“, sondern „während Beethovens fünftem Klavierkonzert“ oder „dank Kants kategorischem Imperativ“.
- Das Substantiv steht ohne Artikel
Die Zeitungsüberschrift „Baustopp wegen beschädigten Silos“ ist unter Umständen missverständlich. Um wie viele Silos geht es? Um eines oder mehrere? – Da „wegen“ auch mit dem Dativ stehen kann, kann „beschädigten Silos“ als Genitiv Singular oder Dativ Plural aufgefasst werden. Sollte es sich wirklich nur um ein Silo handeln, ist Eindeutigkeit nur mit dem Artikel herzustellen: „wegen eines beschädigten Silos“.
Ansonsten gilt: Gibt es eine erkennbare Genitivform, dann sollte sie, zumindest schriftsprachlich, auch verwendet werden („infolge Geldmangels“).
Da der Genitiv Plural im Deutschen keine Endung hat, die ihn von anderen Kasus abheben würde, wird oft auf den Dativ ausgewichen: mittels Säcken, inmitten Häusern.
Gutes Deutsch ist das aber nicht, und deshalb sind solche Konstruktionen nur dort legitim, wo Platzmangel herrscht, z. B. in Zeitungsüberschriften oder auf Hinweisschildern.
In einem anständigen Text ist eine präpositionale Konstruktion immer vorzuziehen: infolge von Geldmangel, mithilfe von Säcken, inmitten von Häusern.
Die Duden-Regel (Band 9, s. v. Präposition, 2.2), dass allein stehende, singularische Substantive, die den Genitiv auf -[e]s bilden, in solchen Fällen meist ohne Endung bleiben (Beispiele: „einschließlich Porto“, „wegen Umbau“), halte ich für zu generell. Hier fehlt ein Hinweis auf den Verwendungskontext.
3. Doppeltes Genitivattribut
Das Genitivattribut konnte früher nach lateinischem Vorbild sowohl vor als auch nach dem Bezugsbegriff stehen: das Haus der Großmutter oder der Großmutter Haus, die Freunde des Vaters oder des Vaters Freunde.
Letztere Verwendung (die Voranstellung) gab Anlass zu zahlreichen Verbindungen, die heute als Komposita aufgefasst werden. Aus „des Tages Licht“ wurde das „Tageslicht“, aus „des Kindes Wohl“ das „Kindeswohl“.
Inzwischen wird das Genitivattribut nur noch selten vorangestellt, z. B. bei Eigennamen („Peters Fahrrad“, „Schillers Werke“, „Berlins kulinarische Highlights“).
Schwierig wird es dann, wenn
- ein solcher Ausdruck selbst als Genitivattribut verwendet wird.
Der Nominalausdruck „Schillers Werke“ enthält bereits ein Genitivattribut (nämlich „Schillers“). Möchte ich diesen Ausdruck wiederum im Genitiv an ein weiteres Nominalglied anhängen, dann entsteht Verwirrung: „die Entstehung Schillers Werke“, „Aspekte Maria Montessoris Pädagogik“.
Die artikellose Flexion des Deutschen bietet hier nicht genügend Unterscheidungsmerkmale, um Klarheit zu schaffen. Da hilft nur das Ausweichen auf Präpositionen („die Entstehung von Schillers Werken“, „Aspekte von Maria Montessoris Pädagogik“) oder eine Umstellung mit Verwendung des Artikels („die Entstehung der Werke Schillers“, „Aspekte der Pädagogik Maria Montessoris“).
- ein solcher Ausdruck von einer Präposition abhängt, die den Genitiv fordert (siehe dazu 2.2).
4. „Dazu gehören“, „dazu zählen“ usw.
⊗ Wale (Cetacea) werden in zwei Unterordnungen untergliedert. Zu diesen zählen die Bartenwale und die Zahnwale.
⊗ Im Rahmen des Projekts wurden drei Kompetenzen herausgearbeitet. Dazu gehören die fachliche, die personelle und die methodische Kompetenz.
Wendungen wie „zu etwas gehören“ oder „zu etwas zählen“ bedeuten, dass es neben den genannten Elementen noch weitere gibt: Bananen und Avocados zählen zu den Südfrüchten – aber es gibt noch mehr Südfrüchte.
Wenn ich also eine Menge numerisch klar benenne und anschließend alle Elemente aufzähle, kann ich nicht sagen, dass diese „dazugehören“, also nicht: „Ich habe zwei Geschwister. Dazu gehören Mia und Jan.“ – Denn Mia und Jan sind in diesem Fall keine Teilmenge meiner Geschwister, sondern die Obermenge – sie sind meine Geschwister:
Ich habe zwei Geschwister: Mia und Jan.
Ich habe zwei Geschwister, nämlich Mia und Jan.
Ich habe zwei Geschwister. Diese heißen Mia und Jan.
⇒ Wale (Cetacea) werden in zwei Unterordnungen untergliedert, (nämlich) die Bartenwale und die Zahnwale.
⇒ Im Rahmen des Projekts wurden drei Kompetenzen herausgearbeitet. Diese sind die fachliche, die personelle und die methodische Kompetenz.
5. Redundantes Demonstrativpronomen
⊗ diese genannten Aspekte
⊗ diese oben beschriebenen Punkte
⊗ Im zweiten Schritt wurden die Kompetenzen der Schüler*innen festgestellt. Dieser ermittelte Kenntnisstand wurde mit den Zielvorstellungen abgeglichen.
Demonstrativpronomen (schriftsprachlich vor allem „dieser“ und „jener“) werden in erster Linie dazu verwendet, um auf einen bestimmten, vom Sprecher gemeinten Gegenstand hinzuweisen oder zu „zeigen“ (lat. demonstrare = zeigen). Man darf die Bezeichnung Demonstrativpronomen also ganz wörtlich nehmen und kann sich je nach Kontext vorstellen, dass der oder die Sprechende mit dem Finger auf etwas hindeutet.
Meinst du dieses Haus? – Nein, ich meinte das kleinere dahinten am Hang.
Das „Zeigen“ dient hier der eindeutigen Identifizierung eines Objekts.
In Texten wird natürlich nicht mit dem Finger gezeigt. Dennoch kann das Demonstrativpronomen verwendet werden, um etwas Gemeintes hervorzuheben.
Die Literatur folgt größtenteils der Definition von Schmid und Heinze (2013). Daher wird diese Definition [und keine andere] im Folgenden übernommen.
Allerdings ist eine solche Hervorhebung überflüssig, wenn sie bereits durch andere sprachliche Mittel hergestellt ist, vor allem durch Zusätze wie „(oben) genannt“, „(oben) vorgestellt“, „in Kapitel 3.2 erläutert“ o. Ä.
Da ein Missverständnis hier ausgeschlossen ist, genügt es, statt des Demonstrativpronomens den bestimmten Artikel zu verwenden.
⇒ die genannten Aspekte
⇒die oben beschriebenen Punkte
⇒ Im zweiten Schritt wurden die Kompetenzen der Schüler*innen festgestellt. Der ermittelte Kenntnisstand wurde mit den Zielvorstellungen abgeglichen.
6. Wiederholung des unbestimmten Artikels
⊗ In Kapitel 2 folgt ein Versuch einer Aufarbeitung der Problematik.
⊗ Herr A. ist ein Mitglied einer Verwaltung einer mittelgroßen Stadt.
Nicht nur aus stilistischen, sondern auch aus logischen Gründen ist es meist nicht ratsam, mehrere unbestimmte Artikel aufeinander folgen zu lassen.
Zwar sind die obigen Aussagen gut verständlich. Schöner und folgerichtiger sind aber die folgenden Alternativen:
⇒ In Kapitel 2 folgt der Versuch einer Aufarbeitung der Problematik.
⇒ Herr A. ist Mitglied der Verwaltung einer mittelgroßen Stadt.
Der Versuch einer Aufarbeitung der Problematik ist zwar nur einer unter vielen (was für den unbestimmten Artikel spricht). Dagegen gibt es nur den einen Versuch einer Aufarbeitung der Problematik in Kapitel 2 dieser Arbeit (das spricht für den bestimmten Artikel).
Die Verwaltung, in der Herr A. arbeitet, ist zwar nur eine unter vielen (unbestimmter Artikel), aber die einzige in der genannten mittelgroßen Stadt (bestimmter Artikel).
7. „Wörter“ oder „Worte“?
⊗ Die einzelnen Worte stehen spaltenweise untereinander.
⊗ Seine Rede war ergreifend, seine Wörter haben mich berührt.
Zwischen den Pluralformen „Wörter“ und „Worte“ wird meist differenziert.
„Wörter“ sind sprachliche Einheiten, vor und nach denen im Text ein Leerzeichen steht. Der Satz „Ich liebe dich“ besteht folglich aus drei Wörtern.
„Worte“ sind dagegen mehrere in einem Sinnzusammenhang stehende Wörter, z. B. einer Rede oder eines Textes. Man sagt daher: „Sie haben mir aufmunternde Worte geschrieben/ausgesprochen“ usw.
⇒ Die einzelnen Wörter stehen spaltenweise untereinander.
⇒ Seine Rede war ergreifend, seine Worte haben mich berührt.
8. Überflüssiges „dieser“ statt Präpositionaladverb
⊗ Sobald uns neue Erkenntnisse vorliegen, werden wir über diese berichten.
⊗ Da ihm die Adresse nicht bekannt war, hatte er einen Freund nach dieser gefragt.
⊗ Die Probanden erhielten Notizblöcke, um auf diesen Stichworte festhalten zu können.
Sofern ein Missverständnis ausgeschlossen ist, ist es vollkommen überflüssig (und sehr sperrig), ein Demonstrativpronomen statt eines passenden Präpositionaladverbs zu verwenden.
Viele Verfasser/-innen sind hier zu Unrecht verunsichert und vermuten, das Pronominaladverb sei stilistisch fragwürdig.
Ganz im Gegenteil! Es gibt kaum eine klarere und einfachere Art und Weise, auf etwas bereits Genanntes zurückzuverweisen, als mit den zahlreichen Präpositionaladverbien, die die deutsche Sprache bietet.
Oder sagen Sie beim Einkaufen „Der Käse sieht lecker aus, ich hätte gerne 200 Gramm von diesem“?
⇒ Sobald uns neue Erkenntnisse vorliegen, werden wir darüber berichten.
⇒ Da ihm die Adresse nicht bekannt war, hatte er einen Freund danach gefragt.
⇒ Die Probanden erhielten Notizblöcke, um darauf Stichworte festhalten zu können.
9. Metasprache
? Es wird untersucht, ob das Wort oft vorkommt.
? Von den meisten Probanden wurde die Antwortmöglichkeit nicht sehr häufig gewählt.
Obige Aussagen sind missverständlich.
Geht es im ersten Beispiel darum, ob ein nicht genanntes Wort in einem bestimmten Text häufig vorkommt, oder ist vielmehr „oft“ das Wort, das im Text gesucht wird?
Haben im zweiten Beispiel viele Probanden eine nicht näher genannte Antwortmöglichkeit nur selten gewählt oder war „nicht sehr häufig“ gerade die Antwortmöglichkeit, die von den meisten Probanden gewählt wurde?
Wenn der fragliche Begriff nicht die zu erwartende syntaktische Funktion erfüllt (hier: adverbiale Bestimmung), sondern als Apposition zu einem anderen Wort gehört, dann spricht man von einer metasprachlichen Verwendung.
Diese kennzeichnet man – damit keine Missverständnisse entstehen – meist mit Anführungszeichen, gelegentlich auch mit Kursivsatz:
⇒ Es wird untersucht, ob das Wort „oft“ vorkommt.
⇒ Von den meisten Probanden wurde die Antwortmöglichkeit „nicht sehr häufig“ gewählt.
10. Redundante Verwendung von Modalverben
⊗ der Wille, sich einer fragwürdigen Gruppierung anschließen zu wollen
⊗ Er bewies damit die Fähigkeit, komplizierte Sachverhalte übersichtlich darstellen zu können.
⊗ Daher sei ihm ausnahmsweise die Erlaubnis erteilt worden, das Gelände betreten zu dürfen.
Modalverben sind nützliche Hilfsmittel, um Verben zu modifizieren und damit etwas über deren Kontext auszusagen. Man kann etwas sagen – oder man kann es sagen dürfen, können, mögen, müssen, sollen oder wollen.
Der Wille, etwas tun zu wollen ist jedoch genauso redundant wie die Pflicht, etwas tun zu müssen und andere ähnliche Wendungen.
In solchen Fällen genügt ein einfacher Infinitiv ohne Modalverb:
⇒ der Wille, sich einer fragwürdigen Gruppierung anzuschließen
⇒ Er bewies die Fähigkeit, komplizierte Sachverhalte übersichtlich darzustellen.
⇒ Daher sei ihm ausnahmsweise die Erlaubnis erteilt worden, das Gelände zu betreten.
11. Überblick + Genitiv
⊗ der Überblick des Forschungsstandes
⊗ Tabelle 5 gibt einen Überblick der ausgewählten Kriterien
⊗ In Anhang 2 befindet sich ein Überblick der Abteilungen des Unternehmens.
Der Genitiv drückt in erster Linie Zugehörigkeit und Herkunft aus. Im Zusammenhang mit dem Wort „Überblick“ passt das meist nicht – oder ist zumindest undeutlich.
Ein „Überblick der Abteilungen des Unternehmens“ könnte eine überblicksartige Darstellung sein, die den Abteilungen vorliegt oder von ihnen erstellt wurde. Gemeint ist dagegen eine Darstellung, die einen Überblick über die verschiedenen Abteilungen des Unternehmens vermittelt.
Die Kollokation „Überblick über“ ist also nicht nur deshalb besser, weil sie häufiger vorkommt, sondern auch, weil sie logisch richtiger ist.
Wenn Sie als Eltern am Spielplatzrand sitzen, haben Sie wahrscheinlich lieber einen guten „Überblick über die Kinder“ als den „Überblick der Kinder“ – Letzterer ist (abhängig vom Alter) in der Regel eher eingeschränkt. Daher:
⇒ der Überblick über den Forschungsstand
⇒ Tabelle 5 gibt einen Überblick über die ausgewählten Kriterien.
⇒ In Anhang 2 befindet sich ein Überblick über die Abteilungen des Unternehmens.
12. Bezugsfehler
⊗ die Unternehmensstruktur und dessen Tätigkeitsschwerpunkte
⊗ nach der Unternehmensvorstellung, in dem die Fallstudie durchgeführt wurde
⊗ So wird ein detailliertes Textverständnis ermöglicht und die in ihm enthaltenen Informationen können deutlicher herausgearbeitet werden.
Für Komposita gilt generell: Das Zweitglied (das Grundwort) trägt das semantische Hauptgewicht. Das Erstglied (das Bestimmungswort) modifiziert die Bedeutung des Grundwortes (eine Fabrik ⇒ was für eine Fabrik? ⇒ eine Tabakfabrik).
Das sieht man auch daran, dass das Zweitglied für das Geschlecht des Kompositums ausschlaggebend ist („der Tabak“, aber „die Tabakfabrik“).
Wenn sich Nebensätze, Attribute usw. auf ein Kompositum beziehen, dann können sie sich folglich nur auf das Grundwort beziehen – mit allen grammatischen Konsequenzen.
Möchte man sich hingegen auf das Erstglied beziehen, dann muss man es aus dem Kompositum herauslösen:
⇒ die Struktur des Unternehmens und dessen Tätigkeitsschwerpunkte
⇒ nach der Vorstellung des Unternehmens, in dem die Fallstudie durchgeführt wurde
⇒ So wird ein detailliertes Verständnis ermöglicht und die im Text enthaltenen Informationen können deutlicher herausgearbeitet werden.
13. (Nicht) korrespondierende Partikeln
⊗ sowohl gelbe und grüne Paprika
⊗ Die Aussagen beziehen sich auf Kinder als auch Jugendliche.
⊗ Dies hat einerseits Mehrkosten, aber auch einen höheren Zeitaufwand zur Folge.
⊗ Sowohl vor sowie nach der Aufzeichnung wurden die Teilnehmenden darauf hingewiesen.
Im Deutschen gibt es mehrere feststehende Verbindungen von Partikeln (Adverbien, Konjunktionen), die in der Regel paarweise auftreten (sowohl … als/wie [auch], weder … noch, zum einen … zum anderen usw.).
Auch wenn es prinzipiell ratsam ist, abwechslungsreich zu schreiben, sollte man in solchen Fällen dringend auf Variationen verzichten. Denn die festen Verbindungen helfen dabei, einen Text logisch zu strukturieren. Das erste Wort wird dabei von Lesenden als Signalwort wahrgenommen: Wer „einerseits“ liest, erwartet auch „andererseits“. Wird diese Erwartung enttäuscht, entsteht der Eindruck, es fehle etwas.
Zudem sind z. B. „sowohl“, „als auch“, „sowie“ oder „und“ nicht einfach Synonyme, die beliebig ausgetauscht werden dürfen. Vielmehr stehen die ersten beiden immer paarweise, während die letzten beiden mehrfach verwendet werden können („A und B und C“).
In Kombination dienen die unterschiedlichen Konjunktionen dazu, längere Aufzählungen übersichtlich zu strukturieren.
Im folgenden Beispiel sind die drei Bereiche Obst – Gemüse – Kräuter klar differenziert. Durch „sowohl … als auch“ werden Obst und Gemüse von den Kräutern abgesetzt, während das einfache „und“ die Obst- und Gemüsesorten als jeweils zusammengehörig markiert.
Der Gemüsehändler bot sowohl Äpfel und Birnen als auch Karotten und Kartoffeln sowie eine breite Auswahl an Gartenkräutern.
Das ist im nächsten Beispiel nicht der Fall:
Der Gemüsehändler bot sowohl Äpfel sowie Birnen und Kartoffeln als auch eine breite Auswahl an Kräutern.
Daher lauten die Eingangsbeispiele verbessert:
⇒ sowohl gelbe als auch grüne Paprika
⇒ Die Aussagen beziehen sich auf Kinder und Jugendliche.
⇒ Dies hat einerseits Mehrkosten, andererseits einen höheren Zeitaufwand zur Folge.
⇒ Sowohl vor als auch nach der Aufzeichnung wurden die Teilnehmenden darauf hingewiesen.
Besonders oft werden die Konjunktionen „je“, „desto“ und „umso“ durcheinandergebracht.
⊗ Umso mehr er sich anstrengte, desto weniger wollte es ihm gelingen.
Die Regel hierzu ist denkbar einfach: „Je“ kommt immer vor, „desto“ und „umso“ sind austauschbar – unabhängig von der Satzstellung:
⇒ Je mehr er sich bemühte, desto/umso weniger wollte es ihm gelingen.
⇒ Es wollte ihm desto/umso weniger gelingen, je mehr er sich bemühte.
14. Allein stehendes Demonstrativum im Genitiv
Die Demonstrativpronomen „dieser, diese, dieses“ können zwar auch substantivisch (also allein stehend) gebraucht werden:
Peter hat eine Freundin. Diese wohnt in Hamburg/Dieser schrieb er einen Brief/Mit dieser fuhr er nach Spanien usw.
Das allein stehende Pronomen kann aber niemals im Genitiv stehen.
⊗ Peter hat eine neue Freundin. Das Haus dieser befindet sich in Hamburg.
Zwar wurden solche Konstruktionen in der Kanzleisprache des 18. Jh. (als direkte Übersetzungen aus dem Lateinischen: domus huius Hamburgi sita est) verwendet, sie sind aber unglaublich schwerfällig.
Für diesen Fall bietet das Deutsche wesentlich elegantere Lösungen:
⇒ Peter hat eine neue Freundin. Deren/Ihr Haus befindet sich in Hamburg.
Siehe dazu auch hier.
15. „Durch“ statt „wegen“ usw.
Das Wörtchen „durch“ wird häufig an unpassender Stelle eingesetzt. Dabei ist der falsche Gebrauch besonders schriftsprachlich zu beobachten – die meisten Schreibenden würden sich in einer Gesprächssituation korrekt ausdrücken.
Wie in vielen anderen Fällen könnte also eine Unsicherheit bezüglich der Abgrenzung zwischen Schriftsprache und gesprochener Sprache der Grund für den Fehler sein.
So werden Kinder heute oft „durch ihre Eltern“ von der Schule abgeholt, ein Fußballspiel findet „durch das schlechte Wetter“ nicht statt, jemand kann „durch Krankheit“ an einem Seminar nicht teilnehmen oder es wird gar ein Teenager „durch Diebstahl“ verhaftet.
Die Präposition „durch“ hat einen lokalen oder instrumentalen Sinn. Sie gibt also eine Richtung (Sie fuhren durch den Tunnel) oder das Mittel/Werkzeug an, durch das etwas verursacht wird (Das Fahrzeug wurde durch Hagel beschädigt).
Unpassend ist „durch“, wenn
- in einem Passivsatz die handelnde Person benannt werden soll: Die Kinder werden von ihren Eltern abgeholt.
- ein kausales Verhältnis besteht: Das Fußballspiel fand aufgrund/wegen des schlechten Wetters nicht statt. Er konnte wegen/infolge seiner Erkrankung nicht an dem Seminar teilnehmen usw.
Hierher gehört auch der sehr beliebte, aber stilistisch fragwürdige Satzanfang „Dadurch, dass …“. Er hat ebenfalls instrumentale Bedeutung und sollte (wenn überhaupt) nur in diesem Sinne verwendet werden. Für alle anderen Fälle gibt es passendere Konjunktionen wie „da“ oder „weil“.
⊗ Dadurch, dass er krank war, verpasste er das Seminar.
⇒ Da/Weil er krank war, verpasste er das Seminar.
Instrumental – und damit legitim – ist eine Formulierung wie die folgende:
⇒ Dadurch, dass er stundenlang auf sie einredete, konnte er sie schließlich überzeugen.
16. „Einhergehend“
⊗ Die Digitalisierung nimmt an Fahrt auf. Für die einhergehende technologische Entwicklung gilt das gleichfalls.
Prinzipiell ist gegen das Einhergehen nichts einzuwenden. Wer einen schönen Park um die Ecke hat, kann darin einhergehen.
Wenn aber zwei Entwicklungen parallel stattfinden, dann geht die eine mit der anderen einher – und dieses kleine Wörtchen macht im obigen Satz den Unterschied zwischen einer zutreffenden (und elegant formulierten) Feststellung und einer wenig sinnvollen Aussage.
⇒ Die Digitalisierung nimmt an Fahrt auf. Für die mit ihr einhergehende technologische Entwicklung gilt das gleichfalls.
17. „Sofern“, „insofern“, „soweit“ und „insoweit“
⊗ Das Auto kommt für mich insofern in Frage, weil es einen großen Kofferraum hat.
⊗ Die Behandlung wurde abgebrochen, insofern die Patient*innen auf die Medikation allergisch reagierten.
Die Wörter „insofern“ und „insoweit“ sind Synonyme und untereinander austauschbar. Allerdings bedeutet „sofern“ etwas anderes als „soweit“ und auch etwas anderes als „insofern“. – Alles klar?
Der Reihe nach:
„Insofern“ und „insoweit“ sind Adverbien und bedeuten so viel wie „in dieser Hinsicht“ oder „vor diesem Hintergrund“. Sie stellen also einen Bezug zu einem bereits genannten Sachverhalt her:
Das Auto hat einen großen Kofferraum und liegt preislich im Rahmen. Insoweit kommt es für mich in Frage.
Dass „insoweit/insofern“ Adverbien sind, zeigt sich auch daran, dass sie im Satz relativ frei positionierbar sind:
Insofern kommt es für mich in Frage. / Es kommt insofern für mich in Frage. / Für mich kommt es insofern in Frage.
Oft korrelieren „insofern/insoweit“ mit einem Vergleichssatz, der mit „als“ (nicht mit „dass“, „als dass“ oder „weil“!) eingeleitet wird.
⇒ Das Auto kommt für mich insofern in Frage, als es einen großen Kofferraum hat und preislich im Rahmen liegt.
Nicht sehr schön ist es, „insofern/insoweit als“ wie eine eigenständige Konjunktion zu behandeln:
⊗ Das Auto kommt für mich in Frage, insofern/insoweit als es einen großen Kofferraum hat und preislich im Rahmen liegt.
Anders verhält es sich mit den Wörtern „soweit“ und „sofern“, die beide ausschließlich als Konjunktionen verwendet werden. Ersteres leitet einen einschränkenden Nebensatz ein, Letzteres bedeutet dasselbe wie „falls“.
Ich habe dir das Buch bereits zurückgegeben, soweit ich mich erinnere.
Ich gebe dir das Buch zurück, sofern ich es dir nicht schon zurückgegeben habe.
⇒ Die Behandlung wurde abgebrochen, sofern die Patient*innen auf die Medikation allergisch reagierten.
Der Bedeutungsunterschied ist aber ziemlich fein, weshalb oft beide Varianten passen:
Soweit/Sofern ich mich nicht täusche, habe ich dir das Buch zurückgegeben.
18. „Dieser“ statt „er“ usw.
⊗ Der Weg war gesperrt worden, weil dieser überschwemmt war.
⊗ Er sagte, er kenne seine Rechte und er wolle sich auch auf diese berufen.
⊗ Das BGB ist die zentrale Kodifikation des deutschen Privatrechts. Dieses trat am 1. Januar 1900 in Kraft.
Um einen bereits genannten Begriff zu ersetzen, verwendet man Pronomen. Sind Missverständnisse ausgeschlossen, dann wählt man Personalpronomen (er, sie, es, ihm, ihr, ihnen, ihn), in Verbindung mit Präpositionen ggf. auch Präpositionaladverbien (darauf, darin, darüber usw.).
Diese Regel ist ebenso einfach wie absolut zwingend für einen knappen, klaren und verständlichen Stil.
⇒ Der Weg war gesperrt worden, weil er überschwemmt war.
⇒ Er sagte, er kenne seine Rechte und er wolle sich auch auf sie (oder: darauf) berufen.
⇒ Das BGB ist die zentrale Kodifikation des deutschen Privatrechts. Es trat am 1. Januar 1900 in Kraft.
Im letzten Fall wäre „dieses“ geradezu irreführend, weil es von Lesenden mit dem Privatrecht assoziiert werden kann.
Die Verwendung von Demonstrativpronomen wie „dieser“ ist also nicht wissenschaftlicher oder präziser oder stilistisch besser als die Verwendung einfacher Personalpronomen (wie oft fälschlich angenommen), sondern in vielen Fällen stilistisch schlechter, unpräziser und damit unwissenschaftlicher.
19. Position von Attributen
⊗ Die durchgeführte Studie an der Harvard University zeigt, dass …
⊗ Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch die Studien zur Neurose Freuds.
⊗ Daneben wurde soziale Unterstützung in der Schwangerschaft von Petermann untersucht.
Die Stellung einzelner Wörter und Satzglieder im Satz folgt bestimmten (sehr komplexen) Regeln, die wir in der Regel intuitiv richtig anwenden. Eine gewisse Unsicherheit kommt jedoch häufig bei der Stellung von Attributen auf, zumal wenn mehrere davon aufeinanderfolgen.
Als Attribut bezeichnet man ganz allgemein ein Wort oder eine Wortgruppe, die ein Nominalglied (meist ein Substantiv) näher bestimmt.
Besonders häufig kommen folgende Attribute vor:
- Adjektivattribut (z. B. der berühmte Dichter)
- Genitivattribut (z. B. das Bild des Dichters)
- präpositionales Attribut (z. B. das Bild auf dem Umschlag)
- attributive Partizipialgruppe (z. B. das auf dem Umschlag abgedruckte Bild)
Probleme gibt es in der Regel bei Nr. 2 und 4.
Das Genitivattribut schließt sich fast immer direkt an das Wort an, auf das es sich bezieht. Das ist besonders wichtig, wenn es weitere Attribute gibt, die auf dasselbe Wort Bezug nehmen.
Zum Beispiel kann ein Bild des Dichters auf dem Umschlag abgedruckt sein. Das ist dann ein „Bild des Dichters auf dem Umschlag“, nicht ein „Bild auf dem Umschlag des Dichters“. Letzteres würde nur bedeuten, dass der Umschlag dem Dichter gehört – über das Bild wäre damit nichts gesagt.
Man kann sich also als Faustregel merken: Genitiv- vor präpositionalem Attribut. – Sonst wird die „Liebe der Freundin zum Freund“ schnell zur „Liebe zum Freund der Freundin“.
Im Unterschied zum Genitivattribut steht das attributive Partizip in aller Regel direkt vor dem Wort, auf das es sich bezieht (wie ein Adjektiv). Hier ist allerdings zu differenzieren, ob weitere Attribute sich auf das Partizip oder auf dessen Bezugswort (das Substantiv) beziehen.
Manchmal macht das kaum einen Unterschied, z. B. bei „das auf dem Umschlag abgedruckte Bild“ und „das abgedruckte Bild auf dem Umschlag“. Es gibt aber auch Fälle, in denen der Sinn der Aussage durch die falsche Wortstellung verändert wird.
So lecker „die gebratene Ente von Peter“ auch sein mag – nur bei der „von Peter gebratenen Ente“ kennen wir auch den Koch.
Entsprechend sind die Eingangsbeispiele wie folgt zu korrigieren:
⇒ Die an der Harvard University durchgeführte Studie zeigt, dass …
⇒ Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch Freuds Studien zur Neurose.
⇒ Daneben untersuchte Petermann soziale Unterstützung in der Schwangerschaft.